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Rumata schloß die Tür, trat von hinten an den Folterknecht heran und versetzte ihm mit dem Schwertgriff einen Schlag ins Genick. Der Folterknecht drehte sich um, faßte sich an den Kopf und saß auch schon in der Wanne. Rumata zog ein Schwert aus einer Scheide und schlug den Tisch mit den Papieren entzwei, an dem der Beamte saß. Alles war so, wie es sich gehörte. Der Folterknecht kauerte in der Wanne und hatte leichten Schluckauf, und der Beamte hatte sich gleich sehr flink auf allen vieren in eine Ecke verkrochen. Rumata ging zum Baron, betrachtete ihn mit freudigem Interesse, machte sich an die Ketten heran, die die Füße des Barons gegen die Wand gepreßt hielten und riß sie beim zweiten Versuch aus der Wand. Dann stellte er den Baron vorsichtig auf die Beine. Der Baron verstummte, erstarrte in einer merkwürdigen Pose, dann zerrte er plötzlich an seinen Fesseln und befreite seine Hände. »Kann ich meinen Augen trauen«, donnerte er wieder los und rollte seine blutunterlaufenen Augen hin und her, »daß das Sie sind, mein edler Freund?! Endlich habe ich Sie gefunden!«

»Ja, ich bin es«, sagte Rumata. »Gehen wir weg von hier, mein Freund, das ist kein Ort für Sie!«

»Bier!« sagte der Baron. »Irgendwo habe ich doch hier Bier gesehen.« Er ging kreuz und quer durch die Zelle, wobei er die Reste seiner Ketten hinter sich herschleifte und nicht aufhörte, zu rumoren und zu brüllen: »Die halbe Nacht bin ich durch die Stadt gerannt! Der Teufel soll’s holen, man hat mir gesagt, Sie seien verhaftet, und ich habe eine Menge Leute verprügelt, einen nach dem andern. Und ich war überzeugt, Sie in diesem Gefängnis zu finden! Na, und da sind Sie ja auch!«

Er ging auf den Folterknecht zu und fegte ihn mitsamt der Wanne beiseite, als ob er gerade mit Staubwischen beschäftigt sei. Hinter der Wanne kam ein kleines Faß zum Vorschein. Der Baron schlug mit der Faust den Boden ein, hob das Faß in die Höhe, warf den Kopf mit weitaufgerissenem Rachen zurück und ließ den Inhalt auf sich niederstürzen. Ein Strom von Bier floß gurgelnd in seine Kehle. Was für ein Kerl, dachte Rumata, als er den Baron wohlgefällig betrachtete. Schaut aus wie ein Büffel, wie ein hirnloser Büffel, aber er hat nach mir gesucht, er wollte mich retten, er ist doch höchstwahrscheinlich meinetwegen ins Gefängnis gekommen, allein, von selber … Nein, nein, es gibt doch Menschen auf dieser Welt, sei sie auch noch so verseucht … Aber wie gut ist das doch gerade noch ausgegangen! Der Baron hatte das Faß geleert und schleuderte es in jene Ecke, in der man den Beamten laut mit den Zähnen klappern hörte. In der Ecke quiekte es.

»Na also«, sagte der Baron und wischte sich mit der flachen Hand den Bart ab. »Jetzt bin ich bereit, Ihnen zu folgen. Macht es etwas, daß ich nackt bin?«

Rumata blickte sich um, ging zu dem Folterknecht und schüttelte ihn aus seinem Schurz. »Nehmen Sie einstweilen das da«, sagte er.

»Sie haben recht«, sagte der Baron und band sich den Schurz um die Lenden. »Es wäre wirklich unschicklich, vor der Baronin nackt zu erscheinen …«

Sie verließen die Folterkammer. Kein Mensch konnte sich entschließen, ihnen den Weg zu versperren, und der Gang war mit einem Mal zwanzig Schritte weit leer.

»Ich schlage sie alle tot!« brüllte der Baron. »Sie haben mein Schloß besetzt! Und haben dort irgendeinen Vater Arima hinbeordert! Ich weiß zwar nicht, wessen Vater er dort ist, aber seine Kinder, das schwöre ich Ihnen, werden bald verwaisen! Hol’s der Teufel, mein Freund, finden Sie nicht auch, daß hier der Plafond verdammt niedrig ist? Ich habe mir schon den ganzen Schädel zerkratzt …« Sie verließen endlich den schaurigen Turm. Einen Augenblick lang tauchte vor ihren Augen der Spion und Leibwächter auf, um gleich wieder in der Menge zu verschwinden. Rumata gab Budach ein Zeichen, ihm zu folgen. Die Menge vor dem Tor wich vor ihnen auseinander, als wären sie mit dem Schwert hineingefahren. Man hörte, wie die einen schrien, ein wichtiger Staatsverbrecher sei entflohen, andere deuteten mit Fingern auf sie und murrten: »Da, schaut den nackten Teufel an, den berühmten estorischen Henker!« Der Baron ging zur Mitte des Platzes, blieb stehen und kniff vor dem hellen Sonnenlicht die Augen zusammen. Sie mußten sich beeilen. Rumata blickte rasch um sich. »Irgendwo hier war doch mein Pferd«, sagte der Baron. »He, du dort! Mein Pferd!« Bei der Koppel, wo die Pferde der Kavallerie des Ordens tänzelten, entstand ein wildes Durcheinander.

»Nicht das!« krähte der Baron. »Das dort, den gescheckten Grauen!«

»Im Namen des Herrn!« schrie Rumata ein wenig verspätet und zog sich seinen Stirnreif über den Kopf.

Ein verängstigter kleiner Mönch in einer fleckigen Kutte brachte dem Baron sein Pferd.

»Geben Sie ihm irgendwas, Don Rumata«, sagte der Baron und erhob sich schwerfällig in den Sattel. »Halt, halt!« schrien sie beim Turm.

Mit ihren Schlagstöcken fuchtelnd, kamen Mönche über den Platz gerannt. Rumata gab dem Baron eines seiner beiden Schwerter. »Beeilen Sie sich, Baron. Rasch!« sagte er.

»Ja«, sagte Pampa. »Hier tut Eile not. Dieser Arima räumt mir meinen ganzen Keller aus. Ich erwarte Sie bei mir zu Hause, morgen oder übermorgen, mein Freund. Was soll ich der Baronin ausrichten?«

»Küssen Sie ihr die Hand von mir«, sagte Rumata. Die Mönche waren schon ganz nahe. »Schneller, schneller, Baron …!«

»Sind Sie aber ganz sicher außer Gefahr?« wollte der Baron wissen. Man merkte an seiner Stimme, daß er sich noch immer um Rumata sorgte.

»Ja, zum Teufel, ja! Vorwärts!«

Der Baron sprengt im Galopp davon, geradewegs in die Menge der Mönche hinein. Einer kam zu Fall und überschlug sich, irgend jemand winselte laut, eine große Staubwolke erhob sich, man hörte das harte Schlagen der Hufe auf dem Pflaster – und der Baron war verschwunden. Rumata blickte eben in eine kleine Gasse, die vom Platz wegführte, wo ein paar zur Seite geschleuderte Menschen ganz benommen dasaßen, als eine eindringlich verstohlene Stimme über seinem Ohr ertönte:

»Aber mein edler Don, glauben Sie nicht, daß Sie sich da etwas zu viel herausnehmen?«

Rumata drehte sich um. Und sah in das gekünstelt lächelnde Gesicht Don Rebas.

»Etwas zu viel?« sagte Rumata. »Ich kenne das Wort zu viel nicht.« Plötzlich fiel ihm Don Sera ein. »Und überhaupt sehe ich nicht ein, warum ein edler Don einem andern nicht im Unglück helfen sollte.« Schweratmend hetzte eine Gruppe berittener Mönche mit gezückten Hellebarden an ihnen vorbei – sie nahmen die Verfolgung des Barons auf. Im Gesicht Don Rebas veränderte sich etwas. »Nun gut«, sagte er. »Lassen wir das … Oh, ich sehe hier den hochgelehrten Doktor Budach … Sie sehen prächtig aus, Doktor. Ich muß einmal mein Gefängnis inspizieren. Staatsverbrecher und auch Freigelassene dürfen das Gefängnis nicht zuFuß verlassen, sie müssen hinausgetragen werden.«

Doktor Budach stürzte sich mit den Bewegungen eines Blinden auf ihn. Rumata trat rasch zwischen die beiden.

»Übrigens, Don Reba«, sagte er, »was halten Sie von Vater Arima?«

»Vater Arima?« Don Reba zog die Brauen hoch. »Ein ausgezeichneter Krieger. Nimmt eine hohe Stelle in meinem Episkopat ein. Aber was soll die Frage?«

»Als treuer Diener Eurer Herrlichkeit«, sagte Rumata und verneigte sich mit sichtlicher Schadenfreude, »beeile ich mich, Ihnen zu melden, daß Sie diese hohe Stelle als vakant betrachten können.«

»Aber wieso denn?«

Rumata warf einen Blick in die Gasse, wo sich der aufgewirbelte gelbe Staub noch nicht gesetzt hatte. Auch Don Reba schaute dort hin. Auf seinem Gesicht erschien ein besorgter Ausdruck.

Es war schon spät am Nachmittag, als Kyra den edlen Herrn und seinen hochgelehrten Freund zu Tisch bat. Nachdem sich Doktor Budach gewaschen, sorgfältig rasiert und umgezogen hatte, machte er einen angenehmen, achtunggebietenden Eindruck. Seine Bewegungen waren langsam und voll Würde, seine klugen grauen Augen blickten wohlwollend und etwas herablassend drein. Zuallererst entschuldigte er sich bei Rumata für sein Aufbrausen auf dem Platz.

»Aber Sie müssen mich verstehen«, sagte er. »Er ist ein grauenvoller Mensch. Er ist ein Untier, das nur durch ein göttliches Versehen auf diese Welt kam. Ich bin Arzt, aber ich schäme mich nicht, zuzugeben, daß ich ihn, wenn ich nur Gelegenheit hätte, umbringen würde. Ich hörte, daß der König vergiftet ist. Und jetzt verstehe ich, wie er umkam.« Rumata spitzte die Ohren. »Dieser Reba kam zu mir in die Zelle und forderte von mir, ich solle ihm ein Gift mischen, das in wenigen Stunden wirkt. Ich habe es natürlich abgelehnt. Er drohte mir mit Folterungen – ich lachte ihm ins Gesicht. Da rief dieses Scheusal die Henkersknechte herbei, und sie brachten ihm auf seinen Befehl ein Dutzend Knaben und Mädchen, nicht älter als zehn Jahre. Er stellte sie in einer Reihe vor mir auf, öffnete meine Arzneitasche und erklärte, er werde alle Medikamente der Reihe nach an diesen Kindern ausprobieren, bis er das richtige gefunden habe. – So ist der König vergiftet worden, Don Rumata …«

Budadis Lippen begannen zu zittern, doch er hatte sich gleich wieder in der Gewalt. Rumata wandte sich rücksichtsvoll ab und nickte. Jetzt verstehe ich, dachte er. Alles verstehe ich jetzt. Aus den Händen seines Ministers hätte der König nicht einmal eine Gurke genommen. Und der Gauner unterschob dem König irgendeinen dahergelaufenen Scharlatan, dem man den Titel eines Leibarztes für die Heilung des Königs versprach. Und jetzt ist es auch klar, warum Reba so triumphierte, als ich ihn bloßstellte im Schlafzimmer des Königs: Man hätte sich schwerlich ein besseres Mittel ausdenken können, dem König einen falschen Budach zu unterschieben. Die ganze Verantwortung fiel nun auf Rumata von Estorien, den irukanischen Verschwörer und Spion. Wir sind doch dumme junge Hunde, dachte er. Im Institut muß man einen Spezialkurs für feudale Intrigen einführen. Und einen andern, um die Fähigkeit zu erwerben, die Rebas richtig einzuschätzen. Noch besser natürlich auch die Dezi-Rebas. Übrigens, wohin sollten denn … Doktor Budach war offenbar ganz ausgehungert. Trotzdem lehnte er die Fleischspeisen höflich, aber entschieden ab und beehrte nur die Salate sowie die Mehlspeisen mit seiner Aufmerksamkeit. Er trank auch ein Glas Estorischen, und in seine Augen kam wieder frischer Glanz, und seine Wangen zeigten eine gesunde Röte. Rumata brachte keinen Bissen hinunter. Vor seinen Augen knisterten und qualmten noch immer die scharlachroten Fackeln, er verspürte den Geruch von versengtem Fleisch, und in seiner Kehle steckte ein faustgroßer Klumpen. Und so wartete er, bis Doktor Budach sich gesättigt hatte, lehnte am Fenster und führte ein höfliches Gespräch, langsam und ruhig, um seinen Gast nicht beim Kauen zu stören. In die Stadt kam langsam wieder Leben. Auf der Straße zeigten sich Menschen, die Stimmen wurden lauter, man hörte das Schlagen von Hämmern und Krachen von Holz; von den Mauern und Giebeln schlug man die Götzenbilder herab. Ein glatzköpfiger dicker Krämer schob einen Karren mit einem Faß Bier vor sich her, um es auf dem Platz für zwei Groschen den Krug zu verkaufen. Die Leute hakten sich unter. Im Torbogen gegenüber unterhielt sich mit näselnder Stimme der Spion und Leibwächter mit einer hageren Frau. Unter dem Fenster rollten Fuhren vorbei, die stockhoch beladen waren. Rumata verstand zuerst nicht, was das für Fuhren waren, aber dann sah er blauschwarze Hände und Füße unter den Bastmatten hervorragen und ging rasch wieder vom Fenster weg. »Das Wesen des Menschen«, sagte Budach bedächtig kauend, »besteht in seiner Fähigkeit, sich an alles zu gewöhnen. Es gibt in der Natur nichts, woran sich der Mensch nicht anpassen könnte. Kein Pferd, kein Hund und keine Maus besitzt diese Fähigkeit. Vermutlich hat Gott bei der Erschaffung des Menschen daran gedacht, welchen Qualen er ihn auf der Erde aussetzt, und gab ihm einen großen Vorrat an Geduld. Natürlich ist es schwer zu sagen, ob das gut ist oder nicht. Wäre der Mensch nicht mit solcher Geduld und solch einer Fähigkeit zu leiden ausgestattet – alle guten Menschen wären schon längst umgekommen, und auf der Welt blieben nur die Seelenlosen und Bösen. Andererseits aber verwandelt das Dulden und die Anpassung die Menschen in wortlose Tiere, die sich durch nichts außer ihrem Körperbau von den Tieren unterscheiden und sie sogar an Wehrlosigkeit noch übertreffen. Und jeder Tag gebiert neue Schrecken von Bosheit und Gewalt …«

Rumata blickte zu Kyra. Sie saß Budach gegenüber und hörte ihm angestrengt zu, eine Wange auf ihre kleine Faust gestützt. Ihre Augen waren voll Trauer: Offenbar tat ihr die Menschheit leid. »Wahrscheinlich haben Sie recht, verehrter Budach«, sagte Rumata. »Aber nehmen Sie doch mich. Ich zum Beispiel bin ein einfacher, wohlgeborener Don.« Die hohe Stirn Budachs legte sich in Falten, und seine Augen wurden vor Erstaunen und Belustigung ganz rund. »Ich liebe gelehrte Menschen über alles, diesen Hochadel des Geistes. Und mir ist völlig unverständlich, warum ihr, die Bewohner der Wissenschaft und einzigen Träger der hohen Weisheit, so hoffnungslos passiv seid? Warum gebt ihr euch so widerstandslos der Verachtung preis, warum laßt ihr euch ins Gefängnis werfen und auf dem Scheiterhaufen verbrennen? Warum denn trennt ihr den Sinn eures Lebens – die Erlangung von neuem Wissen – von den praktischen Anforderungen des Lebens – dem Kampf gegen das Böse?«

Budach schob die leere Schüssel von sich weg.

»Ihr stellt sonderbare Fragen, Don Rumata«, sagte er. »Eigentümlich, aber diese Fragen stellte mir schon der wohlgeborene Don Hug, der Kämmerer unseres Herzogs. Kennt Ihr ihn vielleicht? Habe ich mir gleich gedacht … Ja, der Kampf mit dem Bösen! Aber was ist eigentlich das Böse? Es ist doch jedem freigestellt, das Böse auf seine Art zu verstehen. Für uns, die Gelehrten, besteht das Böse in der Unwissenheit, die Kirche hingegen lehrt, die Unwissenheit sei eine Gnade, und alles Böse komme vom Wissen. Für den Bauern ist das Böse die hohe Pacht und die Dürre, für den Weizenhändler aber ist die Dürre günstig. Die Sklaven sehen das Böse in Gestalt eines betrunkenen, hartherzigen Herrn, für die Handwerker verkörpert das Böse ein habsüchtiger Geldverleiher. Also was ist nun das Böse, gegen das man ankämpfen soll, Don Rumata?« Er streifte seinen Zuhörer mit einem traurigen Blick. »Das Böse ist unausrottbar. Kein Mensch ist imstande, sein Ausmaß in dieser Welt zu verringern. Er kann vielleicht sein eigenes Schicksal ein wenig verbessern, aber immer nur durch die Verschlechterung des Loses der andern. Und immer wird es Könige geben, die sich bloß durch das Ausmaß ihrer Grausamkeit unterscheiden, und immer wird es mehr oder weniger ungehobelte und ausschweifende Barone geben, und immer wird es das dumme Volk geben, das seinen Unterdrückern Entzücken, seinen Befreiern aber Haß entgegenbringt. Und all das deshalb, weil ein Knecht oder ein Sklave viel besser seinen Herrn (sei es auch den grausamsten) versteht als einen Befreier, denn jeder geknechtete Sklave kann sich leicht an die Stelle seines Herrn denken, aber kaum jemand wird sich in die Lage seines Befreiers versetzen können. So sind die Menschen, Don Rumata, und so ist unsere Welt.«

»Die Welt ändert sich ständig, Doktor Budach«, sagte Rumata. »Wir kennen eine Zeit, da gab es keine Könige …«

»Die Welt kann sich nicht ewig verändern«, entgegnete Budach, »denn nichts ist ewig, nicht einmal die Veränderungen … Wir kennen nicht die Gesetze der Vollendung, die Vollendung wird aber früher oder später erreicht. Betrachtet zum Beispiel den Bau unserer Gesellschaft. Wie erfreut das Auge dieses genaue, geometrisch exakte System! Zuunterst die Bauern und Handwerker, über ihnen der Adel, dann die Geistlichkeit, schließlich der König. Wie doch alles ausgeklügelt ist, welche Beständigkeit, welch harmonische Ordnung! Was sollte sich noch ändern an diesem geschliffenen Kristall aus der Hand des himmlischen Juweliers? Es gibt kein Gebäude, das besser wäre als eine Pyramide – das sagt Euch jeder gebildete Architekt.« Er hob dozierend seinen Finger. »Das Korn, welches aus einem Sack fällt, legt sich nicht in eine Ebene, sondern bildet eine sogenannte konische Pyramide. Jedes Körnchen hängt sich an das andere bei dem Versuch, nicht nach unten zu geraten. Und so ist es auch mit der Menschheit. Wenn sie irgendwie ein Ganzes darstellen will, so müssen sich die Menschen aneinanderhängen und dabei unausweichlich eine Pyramide bilden.«

»Halten Sie denn diese Welt allen Ernstes für vollkommen?« fragte Rumata erstaunt. »Nach der Begegnung mit Don Reba, nach dem Kerker?«

»Aber natürlich, mein junger Freund! Mir gefällt vieles nicht auf dieser Welt, vieles möchte ich gern anders sehen … Aber was soll man denn tun? In den Augen der höchsten Macht sieht die Vollendung ganz anders aus als in meinen Augen. Welchen Sinn hätte es für einen Baum, zu zetern, daß er sich nicht von der Stelle bewegen kann, obwohl er wahrscheinlich froh darüber wäre, wenn er der Axt des Holzfällers entlaufen könnte?«

»Aber wenn man die allerhöchsten Beschlüsse ändern könnte?«

»Dazu ist nur die allerhöchste Macht fähig …«

»Aber trotzdem, stellen Sie sich vor, Sie hätten göttliche Befugnisse …« Budach lachte.

»Wenn ich mir vorstellen könnte, ein Gott zu sein, so würde ich Gott werden!«

»Nun, aber wenn Sie die Möglichkeit hätten, Gott zu beraten?«

»Ihr habt eine reiche Phantasie«, sagte Budach vergnügt. »Das ist schön. Ihr kennt Euch in den Schriften aus? Wunderbar! Ich würde mich mit Vergnügen mit Euch unterhalten …«

»Sie schmeicheln mir … Aber was würden Sie trotzdem dem Allmächtigen raten? Was müßte der Allmächtige Ihrer Meinung nach tun, damit Sie sagen könnten: Jetzt ist die Welt wirklich gut und schön …?«

Budach lächelte zustimmend, lehnte sich bequem im Stuhl zurück und faltete die Hände über dem Bauch. Kyra blickte ihm angespannt und erwartungsvoll ins Gesicht.
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